Tschüss, Franz!*)

Nachruf auf den Inselwirt Franz Freitag

Der Gastwirt Franz Freitag (1959 – 2017) war ein Hiddenseer Original. Seine Kreationen wie die Rosenbowle sind Legende. Ein Besuch bei ihm im „Kleinen Inselblick“ gehörte zu einem gelungenen Urlaub. Über dem Tresen hing ein Schild: „Alle warten auf Freitag“. Wir werden nun leider vergeblich auf ihn warten.

Tschüss, Franz, so sagten wir beiläufig, wenn wir Dein Lokal verließen. Wir waren uns sicher, dass wir im nächsten Jahr wiederkommen würden. Auch wenn man munkelte, dass Du Dich zur Ruhe setzen wolltest, geglaubt haben wir es nicht. Ein Abstecher zu Deinem „Kleinen Inselblick“ im Dornbusch gehörte zu einem Hiddensee-Urlaub wie ein Gang um die Hucke oder ein Spaziergang zum Leuchtturm. Der erste Schluck Rosenbowle signalisierte: Jetzt ist sie da – die lang ersehnte freie Zeit! Am Katzentisch oder in großen Runden haben wir bei Dir immer in guter Gesellschaft mit der einarmigen Kapitänspuppe gesessen.

Diese Stufen führten einst zum kulinarischen Glück von Rosenbowle und Sanddornkuss. Inzwischen ist das Haus des Restaurants nicht mehr vorhanden. Aufnahme März 2019, Copyright: Cornelia Saxe
Diese Stufen führten einst zum kulinarischen Glück von Rosenbowle und Sanddornkuss. Inzwischen ist das Haus des Restaurants nicht mehr vorhanden. Aufnahme März 2019, Copyright: Cornelia Saxe

Von ruppig bis lustig

Mal distanziert, mal distanzlos, mal flirtend, mal flapsig, mal cool, mal verbindlich hast du uns mit deiner ganz speziellen Franz-Freitag-Art alle irgendwann rumgekriegt. Wir mussten dich mögen und waren stolz, wenn Du uns – die Basecap in die Stirn gezogen – auf der Dorfstraße in Kloster zurückgegrüßt hast. Dass wir mit unserer Zuneigung nicht allein waren, beweist eine Gedenkseite im Netz, die inzwischen von mehr als Zehntausend Menschen besucht worden ist. Viele haben ihrer Trauer darüber Ausdruck gegeben, dass Du nicht mehr da bist. Die Einträge spiegeln Dein besonderes Talent: Die Gäste fühlten sich persönlich von Dir angesprochen.

Zu Dir zu gehen, das war etwas anderes als ins Restaurant. Wir saßen wie im Wohnzimmer eines guten Bekannten an einem Festtag. Nach der Penne mit Lachs oder dem Dorsch mit Sesamkartoffeln gab es noch ein Stück „Kalter Hund“, das nach Kindheit schmeckte. Und zum guten Schluss noch einen „Sanddornkuss“.

Ute Fritsch (l.) und Sabine Reichwein zu Gast im "Kleinen Inselblick" 2016, Copyright: Ute Fritsch
Ute Fritsch (l.) und Sabine Reichwein zu Gast im „Kleinen Inselblick“ 2016, Copyright: Ute Fritsch

Sternzeichen der Fische

Im Sternzeichen der Fische bist Du geboren und gestorben – einen Tag nach deinem 58. Geburtstag. Der Küste bist Du immer treu geblieben. In Binz auf Rügen geboren, hast Du auf der Volkswerft in Stralsund Maschinenbau gelernt. Dann hast Du die Gastronomie für Dich entdeckt. Auf Hiddensee hast Du im „Dornbusch“ und im „Godewind“ gejobbt, das „Hitthim“ und das „Haus am Hügel“ für eine Zeit lang gepachtet. Deine eigene Gaststätte „Zum kleinen Inselblick“, eröffnet 1997, hätte in diesem Jahr ihr 20. Jubiläum gefeiert. Vor dem Inselwinter bist Du in die Wärme nach Thailand zum Tauchen geflüchtet. Deine Asche ist vor der Küste von Hiddensee ins Meer gestreut worden.

Ich treffe mich mit einigen Freundinnen und Freunden wie der Inselführerin Ute Fritsch, der Bewohnerin des Hexenhauses Sabine Reichwein und dem Stammurlauber Christoph Marhold, mit denen ich schon im „Inselblick“ gesessen habe und die Dich besser kennen als ich. In einem Berliner Café zünden wir in der Mitte des Tisches eine Kerze für Dich an.

Absperrung Baustelle, ehemals Restaurant "Zum kleinen Inselblick", Copyright: Cornelia Saxe
Der historische Schlitten diente einst als Sitzgelegenheit – nun fixiert er das Absperrband der Baustelle, ehemals Restaurant „Kleiner Inselblick“, Aufnahme März 2019 Copyright: Cornelia Saxe

Prinzessin, willste mal ’nen Hecht sehen?

Gabys Erinnerung:

„Ich saß bei einem Eisbecher in Neuendorf am Hafen und hörte ihn rufen: Prinzessin, willste mal ’n Hecht sehen? Ich wollte. Er hatte einen großen Hecht unterm Sitz im weißen Angelkahn.“

Christophs Erinnerung:

„Einmal haben wir den Modemacher Wolfgang Joop dort oben erlebt. Der hatte seine Dalmatiner-Hündin dabei. Und mein Hund war hinter der Hündin her. Joop kam ins hintere Zimmer, wo wir saßen und die Hunde zugange waren, und sagte: Was macht Ihr Hund mit meiner Muschi? Weil seine Hündin Muschi hieß. So was konnte nur bei Franz stattfinden.“

Thilos Erinnerung:

„Damals durfte man im Lokal noch rauchen. Ich saß da mit einem Freund mit Zigarette. Als Franz das Essen brachte, zog er sie uns aus dem Mund, drückte sie im Aschenbecher aus und sagte: So, Ihr Hübschen, jetzt wird gegessen!“

Veronikas Erinnerung:

„Was ich toll fand, der hat sich nicht verbogen. Saßen da Leute bei ihm in der Kneipe und haben gemeckert, weil das Essen nicht kam, dann hat der sich nicht entschuldigt, sondern hat dann cool gesagt mit fünf Tellern auf der Hand: Na, dann kann man in’ne andere Gaststätte gehen!“

Nimm mit!

Katrins Erinnerung:

„Ich sah mal einen wunderschönen Kerzenständer bei ihm auf dem Tisch stehen und sagte: Franz, ich möchte zahlen und diesen Kerzenständer! Er antwortete: Nimm mit! Dieser Kerzenständer steht seit zehn Jahren auf meinem Küchentisch. Ich habe umgekehrt auch viel bei ihm angeschleppt wie zum Beispiel Keramikschalen in Fischform. Und einmal hat Franz gesagt: Die stelle ich mir aber nicht in den Laden, sondern neben’s Bett und tu meine Süßigkeiten rein!“

Utes Erinnerung:

„Mich hat er immer scherzhaft ‚Die reichste Frau der Insel‘ genannt. Er hat mir unterstellt, dass ich ganz viel Geld mit meinen Führungen verdiene. (lacht) Aber ich glaube, dass er wusste, dass das nicht so ist. Sein ‚Inselblick‘ lag im letzten Haus ganz versteckt auf dem Berg. Mich haben viele Touristen gefragt, wo das eigentlich ist.

Was willsten mit dem?

Die Frauen:

„Franz hatte blaue Augen und einen schönen Mund. Wenn er einen zum Abschied umarmte, dann war das etwas Besonderes. Es war zart und gab Energie. Sein Lokal war seine Bühne. Aber er konnte nicht leiden, wenn man als attraktive Frau plötzlich mit einem Typen ankam. Dann zischte er: Was willsten mit dem?“

Die Männer:

„Auf dem Wasser ist es wichtig, dass Du Dich aufeinander verlassen kannst und dass das, was einer sagt, auch gilt. Und so ist er auch in der Kneipe mit einem umgegangen. Wenn ich mit meinem Boot in Seenot geraten wäre, dann hätte ich mich am liebsten von Franz Freitag retten lassen!“

Die ganze Runde:

„Könnt Ihr Euch noch an die Toiletten erinnern? Der spärliche Riegel, mit der man die verschlossen hat und wie eng es dort war. Bei den Frauen gab es eine Toilettenbrille, in die ein echt anmutender Stacheldraht eingelegt war. Und vor der Toilette hing das ganz romantische Hiddensee-Gedicht von Erich Arendt.“

Einen „Sanddornkuss“ für die Liebste

Katrins Erinnerung:

„Der ‚Sanddornkuss‘ war eine Sahne-Quark-Lecker-Süßigkeiten-Kreation in Tortenform. Die Krönung war eine dünne Schicht Schokoladen-Mousse darauf. Daran konnte man sich mausetot essen. Egal, wann wir kamen, es gab immer nur noch ein Stück. Das hat er uns dann hingestellt mit vier Gabeln. Das Geheimnis für diesen Nachtisch hat er wahrscheinlich mitgenommen.“

Christophs Erinnerung:

„Ich bin an einem Abend bei Franz mit meiner Freundin zu hart ins Gericht gegangen. Und habe am nächsten Tag den letzten ‚Sanddornkuss‘, den es noch gab, für sie gekauft, um ihn ihr mitzubringen. Da bin ich in Franz‘ Ansehen wieder gestiegen.“

Sabines Erinnerung:

„Wenn ich ihn mal dienstags traf, das war sein freier Tag, dann war er immer ganz befreit und heiter. Er ging dann zum Beispiel in die Natur und hat sich dort seine Rosenblätter geholt, die dann in der Rosenbowle wiederzufinden waren.“

„Er konnte ruppig sein, aber auch ganz sanft mit Herz. Er wollte mich auch immer mal im Hexenhaus besuchen kommen. Hat er nie gemacht.“

Wie Zeus auf dem Olymp

Heinz‘ Erinnerung:

„Meine Frau ist vor fünf Jahren gestorben. Franz hat mich oft gefragt, wie es mir damit geht. Er mochte sie sehr gern und hat die Trauerkarte mit dem Foto von ihr im Lokal aufgehängt. Jedes Mal, wenn ich dort war, habe ich mich so gefreut, die Karte mit meiner Christa immer noch am gleichen Platz zu sehen. Und Franz sagte dann nur: ‚Die wird da auch bleiben!'“

Katrins Erinnerung:

„Die Menschen kamen und gingen. Manchmal machte es ihm etwas aus, so eine fröhliche Runde, wie wir waren, wieder ziehen zu lassen. Er saß dann wie Zeus auf dem Olymp. Die Normalsterblichen waren fröhlich und leicht, aber er konnte die Fröhlichkeit nicht festhalten. Zum Schluss war er alleine da und hat aufgeräumt.“

Rosenbowle gibt es nicht in dem Café, in dem wir an Dich denken – auch keinen Sanddornschnaps. Wir sitzen auf dem Trockenen, während Du auf der schönsten aller Paradiesinseln gerade auf Tauchgang bist. Über Deinem Tresen hing ein Schild mit der Aufschrift: „Alle warten auf Freitag“. Wir werden nun leider vergeblich warten.

Danke für ihre Erinnerungen an: Gabriele Fischer, Ute Fritsch, Veronika Hitpaß, Christoph Marhold, Heinz Neumann, Sabine Reichwein, Thilo Schmidt, Katrin Schreier

Zur Gedenkseite Franz Freitag

*) Der Nachruf sollte ursprünglich im „Hiddensee Magazin“ in der Ausgabe Sommer 2017 erscheinen. Mit dem Herausgeber Frank Dehlis hatte ich das im März 2017 auf der Buchmesse in Leipzig verabredet. Am 1. August 2017 schied Frank Dehlis freiwillig aus dem Leben. Das Heft wird nicht mehr erscheinen. Ich veröffentliche den Text darum auf meiner eigenen Seite.

Im Dezember 2018 verstarb der Mit-Geschäftsführer des „Wiesenecks“ Wolfgang Werba. Franz, Frank und Wolfgang – Ihr werdet der Insel Hiddensee fehlen!

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